Die Connecta thematisiert die Auswirkungen der Digitalisierung auf Gesellschaft und Business.
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Connecta 2019 - ein persönlicher Rückblick

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300 Teilnehmer, 90 Referenten aus über einem Dutzend Länder haben dieses Festival, wie es die Organisatoren treffend bezeichnen, zu einem wertvollen Investment gemacht. Was bleibt sind viele spannende Kontakte, Themen und Erkenntnisse, die es weiterzuverfolgen gilt.

Das Publikum hätte heterogener nicht sein können. Und ohne jemanden ausschliessen zu wollen, vom CEO über CIO zu Digitalisierungsexperten hin zu Marketeers und Software Engineers, war es wirklich bunt gemischt. Gerne teile ich hier ein paar Themen und Gedanken, die ich von der Connecta mitgenommen habe. 

 

Customer obsessed – Das neue “Customer Centricity”?

 

Die Keynote von Thomas Husson von Forrester Research mit dem Titel «Innovation: latest tech trends and best practicies», hat bei mir diese Frage aufgeworfen. Die Begriffe Customer Driven oder auch Customer Centricity sowie deren vermeintliche Bedeutung dachte ich zu kennen. Was aber bedeutet Customer obsessed? Eine Folie zeigte diese Begriff-Evolution (hier in verkürzter Form):

Customer-led wird zu Automation on behalf of the customer

Insights driven wird zu AI driven

Fast wird zu Near realtime

Connected wird zu Unified

Es beschreibt die Erwartung der Kunden, dass ihre Interaktionen soweit als nur möglich automatisiert sind, in Echtzeit stattfinden und die Produkt- und Dienstleistungen miteinander integriert sind und als Gesamterlebnis daherkommen. Ich wage zu behaupten, dass es nicht wirklich einen Unterschied zu Customer Driven und Customer Centricity gibt. Alle drei Begriffe stehen für dasselbe, nämlich den Kunden ins Zentrum zu stellen bei jeglicher Art von Produkt oder Dienstleistung. Dennoch mag ich den Begriff «Obsessed», weil er für mich die emotionale Komponente ins Spiel bringt. Es spielt keine Rolle ob Produkt oder Dienstleistung, man muss die richtigen Emotionen beim Kunden auslösen - ihn begeistern. Und genau um das geht es.

 

Innovationen treiben, aber wie?

 

Der Begriff Innovation wurde in den letzten Jahren so inflationär benutzt, dass es schon beinahe zu einem Unwort mutiert ist. Auch wird die Bedeutung teilweise missinterpretiert, da es vielfach im Zusammenhang mit neuen disruptiven Geschäftsmodellen und Produkten Verwendung findet. Aber eigentlich bedeutet Innovation, welches von dem lateinischen Wort innovare abstammt, nichts anderes als «erneuern». Von daher hat Innovation doch schon immer stattgefunden, manchmal schneller und einschneidender, und manchmal gemächlicher und nicht auf den ersten Blick ersichtlich – oder etwa nicht? Wie auch immer, die Frage ist mehr, wie treibe ich die Erneuerung künftig an? Auf der einen Seite braucht es sicherlich eine auf das Unternehmen angepasste Methodik und auf der anderen eine entsprechende Kultur. Ein Innovationsprozess, welcher auf einem iterativen Vorgehensmodel basiert, kann helfen aus einer einfachen Idee schnell und zielgerichtet einen ersten Designvorschlag und Prototypen entstehen zu lassen. Dieser lässt sich dann in das Bestehende integrieren und die Weiterentwicklung kann in kleinen und beständigen Schritten vorangehen. Es braucht aber auch eine entsprechende Unternehmenskultur. In dem waren sich sowohl Thomas Husson aus der Keynote wie auch Sandro Graf (ZHAW) einig, welcher einen Workshop zum Thema «Fakten schaffen im Service Design» leitete.

Der Value Design Index zeigt auf, dass design-orientierte Unternehmen ihren Wert deutlich steigern können im Vergleich zu Unternehmen, die nicht auf Design setzen.

Dass in den Unternehmen Innolab’s aus dem Boden spriessen wie Unkraut konnte Sandro entsprechend bestätigen. Diese sind in vielfacherweise aber ein direkter Affront gegenüber den anderen Businessabteilungen mit Leistungs- und Budgetdruck. Ausgestattet mit nahezu unbegrenzten Freiheiten und grossem finanziellem Spielraum, untergebracht in extra neugestalteten hippen Räumlichkeiten ohne wirkliche Verbindung zum Unternehmen, gleichen sie eher Fremdkörpern, denen abschätzend und wenig offen entgegengetreten wird. Wie könnte dieses Innovationstheater dennoch funktionieren, ohne das ganze Unternehmen auf agile Zusammenarbeitsformen umzubauen und somit für Monate zu lähmen? Nun, so vielfältig wie die Unternehmen sind, so verschieden sind auch die Lösungsansätze. Was aber erfolgsversprechend ist, sind folgende Punkte:

  • Fördern der offenen Innovation und Schaffung von Eco-Systemen: Machen Sie Mitarbeiter, Partner und Kunden sowie auch Mitbewerber zum Teil des Innovationsprozesses. Schaffen Sie prozessuale, technische sowie menschliche Schnittstellen, die jeder nutzen kann und darf. So erreichen Sie mehr anstelle von Neu- oder Weiterentwicklungen im stillen Kämmerlein, die nur für einen ganz erlauchten Kreis von Personen zugänglich sind
  • Arbeiten in (kleinen) cross-functional Teams: Die besten und interessantesten Resultate ergeben sich, wenn unterschiedliche Rollen und Persönlichkeiten im Innovationsprozess eingebunden sind. Dabei bin ich der Ansicht, dass mehr als 8 Personen in einem solchen Team nicht zielführend sind. Gute Erfahrungen habe ich mit 3-6 Personen gemacht. Je nach Themenkomplexität und Unternehmen natürlich. 
  • Schaffen einer Fehlerkultur: Es gibt Ideen die scheitern werden. Schieben Sie dies nicht dem Team zu, sondern der Idee oder dem Zeitpunkt. Lassen Sie zu, dass die Teams schadlos scheitern dürfen und können. Wichtig ist, dass die Gründe, welche zum Scheitern beigetragen haben, bekannt sind und man daraus lernt und die Erfahrung im Unternehmen weitergegeben wird. Ein dickes Plus ist dabei, wenn alle Entscheidungen transparent zurückverfolgt werden können; wann wurde welcher Entscheid aufgrund von welcher Faktenlage getroffen. Dies hilft Schwächen in der Methodik zu erkennen, beispielsweise indem Problemstellungen ungenau definiert wurden, keine oder falsche Tests durchgeführt wurden oder man sich nur auf qualitative Methoden konzentriert hat. 

 

Das Ende des Anfangs vom E-Commerce

 

Viele der Workshops befassten sich mit den Themen Retail und E-Commerce sowie dem Nutzen von Technologien wie Künstliche Intelligenz (AI, Artificial Intelligence), Erweiterte Realität (AR, Augmented Reality), Internet der Dinge (IoT, Internet of Things), Big Data bzw. Fast Data oder Blockchain. So gibt es bereits funktionierende Prototypen von Anwendungen, welche einem helfen das passende Paar Turnschuhe zu finden, ohne dass dazu ein Shop besucht werden muss, einfach über eine AR Anwendung auf dem Smartphone.

Mit Augmented Reality die passenden Schuhe finden.

Stromhandel unter Privathaushalten? Ein Pilotprojekt der ETH in Walenstadt erforscht den Strommarkt der Zukunft. Die notwendigen Grundlagen wie intelligente Stromzähler sind heute schon vorhanden, ebenso die Plattform, welche eine Verknüpfung der unterschiedlichen Anspruchsgruppen erlaubt. Dank dem Einsatz der Blockchain ist eine einfache und transparente Verrechnung untereinander möglich. 

Nochmals auf den Punkt gebracht, wie es um den Retail und E-Commerce Markt steht, hat es die letzte Keynote am späteren Nachmittag mit Doug Stephens. Der selbsternannte Retail Prophet nahm kein Blatt vor den Mund und hat auf spannende und witzige Weise zugleich, aufgezeigt wie sich der Markt verändert und wohin die Reise geht. Eine zentrale Frage war auch, ob es den stationären Handel auch künftig noch gibt oder wir bald umgeben sein werden von Kaufhaus- und Ladenruinen, weil es nur noch den Online-Handel gibt. Wenig überraschend lautete die Antwort, dass es auch in Zukunft noch stationäre Läden gibt. Diese müssen sich mehr zu Erlebniswelten wandeln, bei denen nicht der Verkauf im Vordergrund steht (meine persönliche Interpretation). Stattdessen lässt man die potentiellen Kunden seine Produkte ganz individuell erleben und baut positive Emotionen zu Marke und Produkten auf. Auch der Besuch von Einkaufszentren in einer virtuellen Realität könnte ein weiterer Teil in der Evolution des E-Commerce sein wie das Beispiel hier von Amazon zeigt. Denn sind wir ehrlich, eigentlich ist die Amazon Webseite nur ein grosser digitaler Katalog, welcher nicht mal gut ausschaut. Diese Meinung teile ich sehr gerne mit Doug Stephens und mir persönlich ist noch kein wirklich toller Online Shop begegnet, welcher ein WOW- Effekt bei mir ausgelöst hätte. Es gab noch weitere interessante Aspekte in seinem Referat wie der Tatsache, dass Amazon nun auch beginnt die komplette Logistikkette zu kontrollieren, mit eigenen Frachtflugzeugen, Lastwagen und Hauslieferdienst. Eine Reduzierung des Zwischenhandels, indem immer mehr Hersteller oder deren Brands direkt über Amazon erwerbbar werden. Ein weiterer Nebeneffekt ist, dass Amazon so gezielter seine Eigenmarken positioniert, welche deutlich günstiger sind und in den meisten Fällen direkt neben dem Markenprodukt aufgeführt sind. 

 

Fazit

Wie eingangs schon geschrieben, das Zeitinvestment in diesen Anlass hat sich wirklich gelohnt. Themen und deren Aktualität sind sehr gut. Organisation und Durchführung waren vorbildlich. Was ich mir für nächstes Jahr wünsche, sind nur zwei Dinge: 1. Teilnehmer, die mehr Mut haben in den Workshops etwas aus dem Nähkästchen zu plaudern oder auch Fragen zu stellen. Im Ausland erlebe ich solche Workshops um ein Vielfaches interaktiver. 2. Wie wäre es, wenn man bei den Referaten nächstes Jahr darauf schaut, dass man nicht nur über das WAS sondern auch über das WIE spricht.

 

© Titelbild: https://connecta.post.ch/de